Mein Schüleraustausch in Ecuador
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Mein Schüleraustausch in Ecuador

Sechs Monate in meinem Abenteuer

 Hat sich mein Alltag, die Beziehung zur Gastfamilie, die Sprache und einfach alles nochmal geändert, verbessert? Auf jeden Fall! Mein Alltag hat sich relativ eingespielt. Ich weiß, wann ich was machen sollte und wie ich helfen kann. ... Ich bewege mich frei und selbstbewusst durchs Haus. Weil ich hier mittlerweile einfach mein Zuhause gefunden habe.

Erfahrungen im Schüleraustausch in Ecuador
© Kim

„Schon über die Hälfte.“ Einerseits traurig, andererseits schön. Wenn ich daran denke, fallen mir vier Dinge ein1: Es sind nur noch vier Monate und ein paar Tage bis ich endlich wieder in Deutschland bin. Dann seh ich endlich meine Familie wieder und lebe wieder mein Leben, welches ich gewohnt bin. 2: Ich muss in nur vier Monaten mein Leben hier verlassen, meine Familie, Freunde und einfach alles. 3: Es ist nochmal die gleiche Zeit wie das erste halbe „Jahr“. Und das hat eigentlich voll lange gedauert. 4: Die erste Zeit ging so schnell vorbei, das heißt die zweite Hälfte wahrscheinlich auch.

Zusammenfassend kann man sagen, dass ich ein wenig verwirrt bin. Ich kann mich zwischen den Gefühlen nicht wirklich entscheiden. Sie schwirren mir alle fast jeden Tag durch den Kopf. Daher kommt, glaube ich auch, das kleine Tief, in das ich ein bisschen reingerutscht bin. Das ist relativ normal. Viele Austauschschüler*innen haben nach der Hälfte erstmal eine schwierigere Zeit.

Aber jetzt mal wieder zu den positiven Erlebnissen, wie zum Beispiel dem ganzen Dezember mit Weihnachten und Neujahr. Ich war nach dem etwas schwierigeren November sehr glücklich, dass der Dezember so gut gelaufen ist. Es hat schon an den ersten Tagen sehr gut angefangen. Ich war wieder an einem Punkt, wo ich das Leben hier in allen Zügen genossen habe und mich auch mit meiner Familie noch wohler gefühlt habe. Ich hatte Spaß am Spanisch lernen und Energie, um Sachen zu unternehmen. Eine Woche im Dezember war meine Gastcousine aus Mexiko zu Besuch. Wir hatten sehr viel Spaß zusammen. Und auch wenn man es nicht glaubt, hat man plötzlich eine neue Cousine und die auch noch aus dem schönen Mexiko.

Dann kam die Zeit der „Novena“. Das ist eine Vorweihnachtstradition, bei der man neun Tage, meistens mit Freunden, betet und über Weihnachten im religiösen Sinne redet. Auch, wenn ich nicht religiös bin, habe ich es trotzdem mitgemacht. Wegen des Erlebnisses und natürlich, weil es meine Familie macht. Ich habe es aber genossen dabei zu sein und es war auf jeden Fall eine Erfahrung. Danach, war es eine ganz „normale“ Weihnachtszeit. Es wurde darüber geredet wie, wo und mit wem man Weihnachten verbringt und was es zu essen gibt. Beim Essen gibt es eigentlich keine Auswahl. Es gibt jedes Jahr Truthahn. Letztendlich haben wir mit einer gut befreundeten Familie gefeiert, in der auch eine andere Austauschschülerin, die mit YFU Finnland hier ist, wohnt. Es war sehr lustig und wir hatten sehr viel Spaß. Weihnachten ist, wie in den USA auch, am 25.12, allerdings trifft man sich hier am 24.12. um in den 25.12. rein zu feiern. Es fühlt ich ein bisschen an wie Silvester, wenn man von zehn runter zählt und sich um 00:00 Uhr alle umarmen und sich frohe Weihnachten gewünscht wird. Am 25.& 26.12. war bei uns nicht sehr viel los, da fast meine ganze Familie krank war. Aber wir hatten trotzdem schöne Weihnachtsfeiertage daheim. Und dann kam auch schon Silvester. Noch einmal wichtig und anstrengend vorzubereiten. Zumindest für meine Gasteltern. 

Ich persönlich würde sagen, dass mir das Silvester in Ecuador besser gefallt als in Deutschland. Es gibt so viele schöne Traditionen und Bräuche. Erstens gehen schon einige Tage vorher Männer als Frauen verkleidet auf die Straßen und Tanzen um Geld zu verdienen und eine grandiose Stimmung zu verbreiten. Und zwischen der ganzen guten Laune geht dann am 31.12 das Grauen los, für die Menschen, die Sachen in der Stadt besorgen müssen - also für alle. Die Straßen sind unglaublich voll, die Innenstadt ist mit Menschenmassen gefüllt und du musst gucken, dass du nicht gegen den Strom läufst, weil du sogar mit dem Strom fast nicht mitkommst. Wir mussten natürlich auch Sachen besorgen. Die Erfahrung war eindrucksvoll aber hoffentlich einzigartig.

Die vorher schon angesprochenen Traditionen sehen bei unserer Familie so aus: Am 31.12. baden wir uns mit drei verschiedenen Flüssigkeiten. Man kocht verschiedene Pflanzen auf und das entstehende riechende Wasser ist dafür da, böse Energien wegzuwaschen, Glück oder Gesundheit zu bringen. Am Silvesterabend um null Uhr zündet man dann eine Figur aus Pappmaschee an. Die Verbrannte Figur erhält Glück für das nächste Jahr. Ich hatte die Ehre verbrannt zu werden :). Außerdem isst man an Mitternacht zwölf Trauben, um für die nächsten zwölf Monate Glück zu haben. Man trägt auch Unterwäsche in verschiedenen Farben. Rot für die Liebe, weiß für die Gesundheit und gelb für das Geld. Wenn man auf die Straßen geht, wird man von gelber Unterwäsche nur so überschüttet. Und natürlich gibt es auch noch Feuerwerke. Man springt über das Feuer, lacht, isst, isst nochmal, und nochmal, trinkt, spielt Bingo und startet gut in das neue Jahr.

Die ersten Januar Tage, haben wir uns erstmal von dem Essen erholt und viel geschlafen. Schulferien hatten wir eigentlich gar nicht. Mehr als ein verlängertes Wochenende oder einen freien Tag in der Woche gab es nicht. Aber das hat schon gepasst. Damit war der Dezember und damit Weihnachten und Silvester auch schon abgehakt und das Jahr 2023 hat begonnen. Immer noch ein komisches Gefühl. 

Anschließend habe ich dann nur noch ein paar Tage gewartet und am 10.01.2023 ging es los nach Quito. Es ging los zu dem Trip in die Anden mit den anderen Austauschschüler*innen. Das war, wie der Amazonas Trip ein ganz besonderes Erlebnis und ich zähle es auf jeden Fall zu meinen Highlights des Auslandsjahres. Wir haben dieses Mal acht Tage zusammen verbracht und unglaublich viel gesehen. Die Anden Highlights von Nord-Ecuador bis Süd-Ecuador. Wir haben bei Indigenen Familien geschlafen, waren am Äquator mit Wissenschaftlicher Erklärung, haben ein „Meditationszentrum“ besucht, bei dem wir gelernt haben wie die Indigenen Völker die Verbindung zur Natur fühlen und ehren. Eine traditionelle Musikerfamilie, die mit ihren selbstgebauten Instrumenten wie Panflöten, Trommeln und vielen mehr, um die Welt reisen um ihre Musik zu zeigen. Alte Inka Ruinen und eine der schönsten Städte Ecuadors - Cuenca im Süden Ecuadors. Baños, eine touristisch bekannte Stadt mit seinen wunderschönen Highlights wie „die Schaukel am Ende der Welt“ und dem riesigen Wasserfall „Pailón del Diabolo“. 

Und natürlich dürfen die vielen unglaublich imposanten Vulkane nicht fehlen. Cotopaxi, einer höchsten aktiven Vulkane der Welt, bei dem tatsächlich in der nächsten Zeit ein Ausbruch erwartet wird. Wir hatten eine unglaublich, fast einzigartige Aussicht auf den schon rauchenden Vulkan. Diese Bilder werde ich nie wieder vergessen. Und außerdem der inaktive Vulkan Chimborazo, der nicht nur der höchste Berg Ecuadors ist, sondern auch der vom Erdmittelpunkt höchste und am weitesten entfernte Punkt der Erde ist. Wir sind mit einer wunderschönen Aussicht auf den riesigen Berg auf 5.000 m Höhe gewandert und man hat gemerkt wie schön und angenehm es eigentlich ist, zuhause, einfach und ohne Anstrengung atmen zu können. Insgesamt haben wir wieder unglaublich viel gelernt und nun schon zwei der vier Welten Ecuadors erkundet. Als letztes also nur noch Galapagos auf die ich, und ich glaube alle, sich unglaublich freuen. 

Am letzten Tag der Reise, dem 17.01.2023, haben wir zusammen im Hotel unser fünf Monate Anniversary gefeiert. Das war schon ein sehr emotionaler Moment. Am nächsten Tag ging wieder der Alltag los und damit würde ich auch gleich zu dem Thema kommen. Hat sich mein Alltag, die Beziehung zur Gastfamilie, die Sprache und einfach alles nochmal geändert, verbessert? Auf jeden Fall! Mein Alltag hat sich relativ eingespielt. Ich weiß, wann ich was machen sollte und wie ich helfen kann. Ich weiß, wie ich meinen kleinen Bruder beschäftigen kann und wie ich meinem anderen Bruder sagen kann, dass ich mal Freiraum brauche, ohne dass er sich verletzt fühlt. Ich bewege mich frei und selbstbewusst durchs Haus. Weil ich hier mittlerweile einfach mein Zuhause gefunden habe. Die Beziehung zu meiner Gastfamilie ist auch besser geworden. Ich zeige mittlerweile auch öfter meine Gefühle und bringe mich auch in den Gesprächen ein. Mit meiner Mutter rede ich oft über alles möglich, auch wie es mir geht und wie sie mir helfen könnte wenn ich mal ein Problem hab. Mit allen fühlt es sich so an als ob wir uns besser kennen. Ein sehr schönes Gefühl. 

Mit der Sprache läuft es auch viel viel besser. Ich rede nur noch auf Spanisch und, meinem Gefühl nach, richtig gut, dafür, dass ich das alles in sechs Monaten gelernt habe. Ich merke, dass es gut läuft wenn ich auf Spanisch diskutieren kann oder richtige Geschichten erzählen kann. Das ist für mich noch einmal ein anderes Level. So ziemlich alles hat sich einfach verbessert. Ich fühle mich wohler und selbstbewusster als am Anfang. Wo wir auch grad bei Selbstbewusstsein sind. Das ist auch eine Sache die ich unglaublich eindrucksvoll finde. Wenn ich mich daran zurück erinnere, wie meine Persönlichkeit vor meinem Auslandsjahr war, bin ich jetzt gefühlt ein anderer Mensch. Wie sehr ich gelernt habe andere Sachen zu schätzen. Ich habe mich selber so viel besser kennengelernt, mich weiterentwickelt und grundlegend verändert.

Natürlich bin ich noch die Kim aber für mich eine bessere Kim. Dazu passend ein Spruch, der für mich tatsächlich hilfreich war: „ You grow through what you go through“ -Dhiman. Ich freu mich sehr auf die nächsten Monate, in denen noch sehr viel passieren wird. Erst einmal das Ende des Schuljahres und damit die großen Ferien von zwei Monaten. Viele Geburtstage unteranderem auch mein eigener. Urlaubsreisen, Ausflüge, gemeinsame Zeit mit der Familie und natürlich Galapagos.

Ich bin sehr gespannt auf das, was mich noch erwartet und werde durch jede einzelne Aktion mehr über mich lernen. Ich und jeder der etwas macht, was ihn aus seiner Komfortzone herrausführt, kann stolz auf sich sein. Denn egal wenn nicht alles so wird, wie man sich es vorstellt, wird es mindestens eine Erfahrung.

Danke an alle, die mich auf diesem Weg begleiten und die mir dieses Jahr möglich gemacht haben. Und natürlich ein Dank an das AjA - Stipendium.

Viele Grüße aus dem „Land der vier Welten“

Kims Bericht über die ersten Monate im Schüleraustausch findet ihr hier.

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