Mein Schüleraustausch in Schweden
Lina | |
2023-2024 | |
AJA-Stipendium
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Abgesehen von der Einstellung „wenn ich ganze 10 Monate in Schweden geschafft habe, schaffe ich das hier auch“, denke ich, dass ich erwachsener und reifer geworden bin. Ich bin an Schwierigkeiten, Herausforderungen und Fehlern gewachsen und habe unglaublich viel sowohl über Schweden, über Deutschland und auch über mich selbst gelernt.
10 Monate habe ich als Austauschschülerin mit AFS und dem AJA-Stipendium in Schweden, Västra Göteland, verbracht. Die Zeit dort hat mir tiefe Einblicke in eine andere Kultur gewährt und meine Sicht auf Deutschland verändert. Im Folgenden teile ich die Erfahrungen und Unterschiede, die mich während dieser Zeit besonders geprägt haben.
Unterschiede zwischen Deutschland und Schweden
In Bezug auf kulturelle Unterschiede sind sich Deutschland und Schweden auf den ersten Blich vielleicht nicht so ungleich, doch je intensiver man hinsieht und je mehr man sich darauf einlässt, fallen einem doch immer wieder Dinge auf, die anders sind. Dennoch war für mich der Unterschied zwischen meiner Gastfamilie in Schweden und meiner deutschen nicht sonderlich groß. Das war wohl auch einer der Faktoren, weshalb ich mich so wohl gefühlt habe. Trotzdem gab es Kleinigkeiten im Alltag, die anders waren.
Das gemeinsame Essen machen wir daheim meist nicht und zu Hause habe ich auch mehr Zeit allein in meinem Zimmer verbracht. Meine Gastfamilie gestaltet viel Freizeit parallel. Also sie tun unterschiedliche Dinge gleichzeitig, in Gesellschaft. Zum Beispiel: ich häkelte, während mein Gastbruder Video spielte.
Eine andere Sache, die für mich etwas schwierig war, ist die schwedische Art zu kommunizieren. Viele Schweden neigen dazu, Dinge, die sie wollen oder vielleicht stören, nicht direkt anzusprechen sondern eher "um den heißen Brei herum" zu reden. Dadurch war es für mich anfangs schwierig, das Verhalten meiner Mitmenschen zu deuten. Oft zerbrach ich mir den Kopf, ob ich etwas falsch verstanden hatte.
In Schweden werden meist die gleichen Feste gefeiert wie in Deutschland. Und auch hier steht dabei die Familie im Vordergrund. Allerdings ist das Essen etwas anders. An Weihnachten gibt es keinen Braten mit Klößen, sondern meist viele kleinere Gerichte, viel mit Fisch und auch vieles kalt. Essen, besonders Süßes steht bei den Schweden ganz weit oben. Es gibt viele inoffizielle „Essenstage“ wie den Zimtschneckentag oder den Semmlortag.
In Schweden werden Lehrkräfte geduzt
Ganz anders ist jedoch der Umgang zwischen Lehrer*innen und Schüler*innen. Im Schwedischen wird keine Höflichkeitsform verwendet und somit wird auch im Schulumfeld nur geduzt. Hinzu kommt, dass die Lehrkräfte mit Vornamen angesprochen werden. Das war am Anfang für mich sehr seltsam, doch gewöhnt man sich sehr schnell daran. Dieses Prinzip hat meiner Meinung nach zwei Seiten. Auf der einen Seite finde ich es ein sehr gutes Konzept. Es gibt den Schüler*innen ein näheres und stressfreieres Verhältnis zu den Lehrkräften und der Schule generell. Wenn man bedenkt, dass Kinder und Jugendliche einen Großteil ihres Lebens und Alltages in der Schule verbringen und von diesem Umfeld stark geprägt werden, finde ich es großartig wie die Beziehung zwischen Schüler*innen und Lehrer*innen individuell und auf Augenhöhe geschehen kann.
Auf der anderen Seite habe ich festgestellt, dass dieses Verhältnis auch in gewisser Weise ausgenutzt wird. Die Lehrkräfte bauen auf Vertrauen und eigenständiges Arbeiten der Schüler*innen. Doch manche nutzen dies aus. Sie erledigen Dinge nicht, nehmen Schule durch mangelnde Strenge als unwichtig wahr und verlieren gegebenenfalls den Respekt für die Lehrkräfte.
Mit den Lehrkräften zurechtzukommen war also eigentlich sehr einfach. Etwas schwerer fiel mir dann doch meine Mitschüler*innen besser kennen zu lernen. Freunde zu finden, war definitiv nicht das einfach. Anfangs war ich sehr eingeschüchtert von der Schule, den Personen und die anfängliche Sprachbarriere machte Dinge auch nicht einfacher. Für mich war es in erster Linie schwer, auf andere zuzugehen. Hinzu kommt, das auch die Schweden selbst eher introvertiert sind und ihrerseits nicht aufdringlich wirken wollen. Daraus entsteht ein eher zurückhaltend wirkendes Verhalten. In gewisser Weise fühlt man sich also selber etwas aufdringlich. Aber am Ende findet man seinen Schlag von Leuten, ob nun in seiner Klasse, im Jahrgang darüber oder darunter oder von der Nachbarschule spielt dabei im Endeffekt keine Rolle.
Einer der größten Schritte im Leben eines jungen Menschen ist in Schweden der Schulabschluss. Und genau dieser wurde zu einer meiner besten und schönsten Erfahrungen im Schüleraustausch. Die Schulabschlussfeier heißt in Schweden "Studenten" und ist ein riesiges Fest. Dort dabei zu sein, mit meinen Freunden zu lachen und zu feiern, mit den Menschen, die mir in so kurzer Zeit so ans Herz gewachsen sind, war wunderbar. Außerdem haben sie mir ebenfalls eine kleine „Studenten“ veranstaltet. Mit selbstgemachter Mütze und Umhängen. Die Begründung, selbst wenn ich nicht im Abschlussjahrgang war, habe ich doch die schwedische Schule beendet, hat mich sehr gerührt.
Generell fand ich es erstaunlich, wie einem diese doch nur so kurz bekannten Personen so schnell wichtig werden können. Aber ich glaube, genau das ist eine Sache die mir im Ausland leichter gefallen ist: mich auf Neues und besonders Leute einzulassen.
Das nehme ich aus dem Schüleraustausch mit
Einige Dinge in Schweden haben mir so gut gefallen, dass ich versuchen werde, sie auch in meinem deutschen Alltag zu etablieren. Dazu gehört erstmal die Wichtigkeit und der hohe Status von Familie. Und dabei zähle ich nicht nur Verwandtschaft, sondern genauso nahe Freunde. Gleich dazu das Fika-Ritual. Einfach gemeinsam beisammen sitzen, gemeinsam Kaffee trinken, quatschen und den Alltag ein wenig entschleunigen. Ich denke genau diese Art von einfach mal zurücklehnen, werde ich versuchen mir anzueignen, denn so viele stressige Situationen lassen sich viel leichter lösen, wenn man ruhig daran gehen kann.
Meine Sicht auf Deutschland hat sich geändert
Hinzu kommt, dass das Auslandsjahr und die unzähligen neuen Eindrücke einen erstaunlich für das eigene Verhalten und das Heimatland sensibilisieren. Plötzlich fallen einem tausend Dinge auf, die man zu Hause ganz anders gemacht hat, die anders waren, anders aussahen. Seltsamerweise-oder vielleicht auch nicht- fühle ich mich Deutschland deutlich mehr verbunden als vorher. Auf einer Ebene bin ich stolz auf mich selbst als Teil dieses Landes aber auch die Freude an ganz kleinen und alltäglichen Dingen ist größer.
Wie wird das Brot, welches ich so vermisst habe, eigentlich gebacken? Wie werden die Fachwerkhäuser gebaut, woher kommen unterschiedliche Dialekte? In Schweden wurden mir so viele Fragen über mein Land und die deutsche Kultur gestellt, über die ich noch nie nachgedacht hatte und das weckte in mir ein gewisses Interesse.
Zum Schluss kann ich sagen, dass mich die Zeit in Schweden definitiv verändert hat, und das definitiv zum Besseren. Abgesehen von der Mentalität „wenn ich ganze 10 Monate in Schweden geschafft habe, schaffe ich das hier auch“, denke ich, dass ich erwachsener und reifer geworden bin. Ich bin an Schwierigkeiten, Herausforderungen und Fehlern gewachsen und habe unglaublich viel sowohl über Schweden, über Deutschland und auch über mich selbst gelernt. Ich würde behaupten, das ich eigenständiger und verständnisvoller geworden bin. An viele Dinge gehe ich nun anders heran gehen und fühle mich sicherer.
Und genau dafür, nämlich für die Möglichkeit dies alles erleben und mich weiterentwickeln zu dürfen, möchte ich mich bei allen bedanken. Danke an alle von AFS und natürlich danke an das AJA-Stipendium.
Lina war mit AFS im Schüleraustausch. Mehr zu dem Schweden-Programm von AFS findet ihr hier.
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